25. September 2018: Carsten Langner
von Christian (Kommentare: 0)
Der Blick: unschuldig. Die Erscheinung: dezent. Doch sollte man sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen lassen: Herr Langner hat es faustdick hinter den Ohren. Mit schelmischem Naturell gab der Künstler am vergangenen Dienstagabend scharfsinnig-pointierte Gesellschaftsanalysen sowie Liebeslieder weit weg von romantischem Kitsch, die trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - nachgerade unter die Haut gehen.
Carsten Langner macht keinen Hehl aus seiner politischen Gesinnung, welche er auch konsequent zu Liedgut verarbeitet. Es geht um Zivilcourage und „Keine Wahl“ ist ein brandaktuelles Lied über schmales Denken und die Duldung von Dummheit. Der Kieler Liedermacher macht mit seinen Liedern Mut, auch wenn gerade alles den Bach runter zu gehen scheint. Irgendeinen Weg gibt es immer, und so wurde der Titel des neuen Albums nicht zufällig gewählt. „Von Wegen“. Der Liedermacher spielt mit Doppeldeutigkeiten.
Carsten Langner präsentiert ein inhaltlich vielseitiges Programm, vom allerersten Lied „Durch dich“, bis hin zum autobiographischen „Vom Scheitern“. Den Auftakt des Abends macht „Die Wege, die ich geh“, nach Steve Tilstons „The road when I was young“. „Zeit zu leben“ ist die Einladung zum gepflegten Faulsein und gleichzeitig ein Gedankenspiel, wie es denn wäre, seinen Besitz wegzugeben und einfach wegzugehen, um dem Sommerwind zu folgen.
Der durch die Sendung „Abenteuer Diagnose“ inspirierte Talking Blues „Googlediagnostik“ illustriert ironisch sämtliche Facetten der Cyberhypochondrie in Zusammenhang mit deren Auswirkung auf die Arztpraxen. Obwohl alles den Anschein eines netten Abends mit Gitarrenmusik hat, erinnert dieser bisweilen an eine rasante Achterbahnfahrt der intelligent-skurrilen Ideen. Carsten Langner vereint abwechslungsreiche Erheiterung mit Liedermacherei auf der Höhe der Zeit. Er singt davon, dass er „heute nichts werden möchte, sondern einfach sein “Wie ein Schmetterling im Wind“ oder auch Optimist, der eigensinnig leicht durchs Leben geht und unbeschwerte Lieder über „dumme Sachen“ wie Lagerfeuer mit großen Rauchsäulen oder angeklebte Glückskleeblätter singt. Nur, um kurze Zeit später sein Publikum mit vertonten Gedichten von Wilhelm Busch und makabren Lieder über das seltsame Verhalten von Erben zu unterhalten.
Dann geht es geht wieder ans Meer. Im Dialekt seiner Heimat erzählt der Musiker von der „Grote Manndränke“- dem „Großen Ertrinken“ und dem daraus resultierenden Verschwinden der sagenumwobenen Marktstadt Rungholt: „Trutz, blanke Hans“ des Dichters Detlev von Liliencron. Langner vertont Gedichte des Schleswig- Holsteinischen Poeten Klaus Groth „Min Jehann“ und zeigt auch mit dem schwarzhumorigen Kinderlied „Lütt Matten der Has“ wie facettenreich die plattdeutsche Sprache sein kann. Er zeichnet düstere Bilder aus Worten, beschwört die Apokalypse des Tag X, um dann durch ein einziges Wort: „Vorrunden-Aus“ dem Lied einen skurrilen finalen Twist zu verpassen.
Herr Langner hat reichlich Humor und versteht es, auf grandiose Weise, auch derben Liedtexten Stil zu verleihen. Seine poetischen und politischen Lieder sind zeitlos und doch brandaktuell, berühren und inspirieren, wühlen auf und trösten, zeugen von Haltung und unterhalten gleichermaßen.
Den Schlus des Konzertes füllen „Rausschmeißerlieder“ über Publikumskommentare („Aber“) und Verschwörungstheorien. Was bleibt, ist das wohlige Gefühl eines erfüllten Abends und überdies dieZuversicht, das vielleicht doch nicht alles so schlimm wird: „Wenn die Welt Krieg führt, müssen wir mehr Musik machen“. Chapeau, Carsten Langner!
smo
Kommentar schreiben