Musiker, Geschichtenerzähler, Folk-Ikone
von Christian (Kommentare: 0)
9. November 2021: Andy Irvine
Für alle, die mit der Musik von Planxty aufwuchsen, war im Folkclub Prisma am vergangenen Dienstagabend ein ganz besonderer Lokaltermin. Andy Irvine, Urgestein des Irish Folk und Großmeister der Bouzouki, hatte ausgefeilte Harmonien und strophenreiche Lieder im Gepäck, die er mit seiner herzwärmenden Stimme in Szene setzte. Mit dem Publikum auf Augenhöhe und umringt von Bouzoukis, Mandola und Mandoline, präsentierte Andy eine Auswahl von Liedern, in die er Erzählungen aus seinem ereignisreichen Musikerleben wob.
Die Ballade Reynardine rankt sich um eine Gestalt, halb Mensch, halb Fuchs, die schöne Frauen verführt, um sie danach auf sein Schloss zu verschleppen. Wie die Geschichte ausgeht? Keine Zeit, darüber zu grübeln, bereits huschen Andys Finger beim Instrumental Johnny Cúig im 5/8-Takt über die Saiten; in Erin go bragh erzählen Andy, Mundharmonika und Bouzouki in harmonischer Eintracht von einem reiselustigen schottischer Highlander und desssen Zusammentreffen mit der Polizei.
Wir wechseln den Kontinent und finden uns „Down under“ wieder: The Dandenong ist ein traurig-schönes Lied über ein Schiffsunglück. Andys samtig-warme Stimme umfängt die Seele. Three Huntsmen handelt von einer Jungfer in vermeintlichen Nöten und einem Retter in der Not, der seinen Heldenmut mit dem Leben bezahlt, weil die Schöne ihn in einen Hinterhalt gelockt hat. Als großartiger Geschichtenerzähler hat Andy noch mehr im Gepäck: Er singt vom Magier Houdini, der auf einem Kongress von Berufskollegen mittels eines Besenstiels in einer Telefonkabine festgesetzt wurde, As good as it gets erzählt von Reisen durch Osteuropa und den Erinnerungen an die dortige holde Weiblichkeit. Diese hat leider kein Herz für musikalische Vagabunden wie Andy.
Mit Plains of Kildare geht es auf die Pferderennbahn, The Titanic erzählt vom Stolz Belfasts auf das dort erbaute tragische Schiff. Seine Zeit mit der Gruppe Sweeney’s Men fasst Andy in My heart’s tonight in Ireland zusammen, als er mit ebenjener Band und einem öldurstigen Tourbus durch das County Clare tourte. Zugleich ist das Lied eine Liebeserklärung an das Örtchen Miltown Malbay, dessen Musik und Lieder die Strapazen des Musikerlebens auf Tour vergessen lassen. Bestimmt hörte man dort seinerzeit auch A Blacksmith courted me, den über 100 Jahre alten englische Folksong einer gewissen Mrs Ellen Powell of Westhope, Herefordshire.
Seine Liebe zur Musik von Woody Guthrie verleiht Andy mit der Cowboy-Liebesgeschichte Ranger’s command Ausdruck. Die musikalische Reise des Abends schließt mit dem magischen West coast of Clare. Dieses Lied gibt wunderbar das Gefühl wieder, nach einem rauschenden Fest eine menschenleere Straße entlang zu gehen, die Erinnerung daran in sich tragend. Vielen Dank an den großartigen Andy Irvine, das begeisterte Publikum und die fleißigen Hände des Folkclub Prisma.
smo
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