28. Mai 2019: Roland Bliesener - "Gefährliche Lieder"

Es war keine leichte Kost, die Roland Bliesener beim Saisonabschluss servierte. Mit einer gelungenen Auswahl an Bild- und Tonbeispielen zog der Liedermacher das Publikum in seinen Bann und ließ die zahlreich erschienenen Gäste des Folkclub Prisma an seiner beeindruckenden Sammlung von Literatur teilhaben. Sorgfältig ausgewählte Fundstücke aus der Zeit des Nationalsozialismus wurden mit viel Fingerspitzengefühl dargeboten und es wurde klar, wie schmal der Grat zwischen harmlos und volksverhetzend sein kann. Wer es im Dritten Reich wagte, nonkonforme Lieder zu singen oder einem außergewöhnlichen Lebensstil zu frönen, hatte mit drakonischen Strafen zu rechnen.

Was geschah mit Jugendlichen, die sich nicht NS-konform verhielten, die Jazz und Swing oder Seemanns-, Fahrten- und Wanderlieder favorisierten? Mit Jugendlichen, die sich international orientierten und russische oder auch mexikanische Lieder in ihrem Repertoire hatten? Die Edelweißpiraten in Köln, die Münchner Blasen oder auch die Leipziger Meute waren dem Naziregime nicht geheuer. Die mit neuen Texten versehene Karnevalslieder, Wandervogellieder, oder auch Bündische Lieder waren in den Augen des NS staatszersetzend und das Singen wurde mit Arrest oder noch Schlimmerem geahndet.

Was ist nun ein politisches Lied und welches Lied ist unpolitisch? Welche Lieder sind verdächtig oder stehen auf dem Index? So ganz einig waren sich die Kulturbestimmer der NS-Zeit selbst nicht. Das Lied „Wenn die bunten Fahnen wehen“ reflektiert dieses wirre Durcheinander. Lieder können auf ganz unterschiedliche Art gefährlich sein. Ihre Metaphern transportieren politische Botschaften und unangepasste Lieder bringen ihre Sänger in Bedrängnis. Doch auch im Informationszeitalter kann man mit deutscher Geschichte entspannt umgehen und den Widerständlern für ihren Mut Anerkennung zollen. Die Gedanken sind frei und es sind auch nicht die Lieder selbst, sondern die Haltung, mit der man sie singt.

Danke an Roland Bliesener für diesen Gänsehautvortrag und die Erkenntnis, dass Edelweißpiraten keine volkstümelnde Musikgruppe und auch keine Gummibärensorte sind.

smo